Wissenswertes über: Höhlenmalerei — oder die ersten Strichfiguren
Vor mehr als 20.000 Jahren, als Mammuts, Wisente, Bisons, Auerochsen, Rentiere, Pferde und sogar Wollnashörner und Löwen durch unsere Landschaften streiften, waren die Menschen zu dieser Zeit, die sogenannten "Cro-Magno-Menschen", kreative Zeichner, die in Ihren vom flackernden Feuerlicht erhellten Höhlen, wunderbare Kunst erschufen.
Mittlerweile zählen wir weltweit über 380 bemalte Höhlen, wie zum Beispiel, die Höhlen von Lascaux, Chauvet, Niaux und Altamira, um nur einige zu nennen. Nicht zu vergessen, die unzähligen Felsmalereien die rund um den Globus von Südamerika bis Afrika und Asien zu bestaunen sind.
Interessanterweise haben diese Menschen keineswegs mit Schrift kommuniziert, denn diese wurde bis Dato schlichtweg noch nicht erfunden. Doch Sie entwickelten geheimnisvolle Bildschriften, um ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu konservieren und erlebbar zu machen, womit Sie Uns nach so vielen tausend Jahren ein wahres Geschenk hinterlassen haben.
Unter den unzähligen Tierzeichnungen, die die Höhlen- und Felsmaler kreiert haben, waren auch, wenn auch sehr selten, geheimnisvolle figurative Menschendarstellungen zu erkennen.
Sie sind die Uns ersten bekannten Strichmännchen respektive Strichfiguren, die die Menschheit zu Papier oder in dem Falle auf Stein gebracht hat.
Diese Menschen-Zeichnungen waren im Gegensatz zu den meisten Tiermotiven hauptsächlich mit Linienstrichen abstrakt reduziert und vereinfacht zum Ausdruck gebracht.
Eines der ersten seltenen Strichmännchen-Zeichnungen befindet sich in Frankreich, genauer in der weltberühmten Höhle von Lascaux (siehe Foto oben). Diese anthropomorphe Darstellung ist auch bekannt als der "Mann mit Vogelkopf". Sie ist die einzige menschenähnliche Zeichnung in dieser Höhle, die sich in einem Bereich befindet, den die Archäologen den "Schacht" nennen. Eine nicht leicht zu erreichende Stelle tief in der Höhle verborgen. Faszinierend ist die fast zeitlose Darstellung dieser Szene, die einen fast ikonischen modernen Charakter in sich trägt.
Unsere talentierten Vorfahren sind keineswegs mit diesen herausragenden zeichnerischen Fähigkeiten auf die Welt gekommen. Sie mussten, sowohl die vermeintlich einfachen abstrakten, wie auch die ausgearbeiteten detailreichen Motive dieser Kunst der Höhlenmalerei zuallererst erlernen.
Diese frühen Künstler waren keinesfalls stilistisch einfältig gewesen in Ihrem kreativen Œuvre. Sie entwickelten diverse Zeichentechniken, wie zum Beispiel die Wischtechnik, um Figuren plastisch und somit realistisch darzustellen. Außerdem, man mag es kaum glauben, fand man gezeichnete "Animationen" bzw. Simulationen von Bewegungen von Tieren. Bei den Löwen von Chauvet beispielsweise, wurden zwei Köpfe in verschiedenen Positionen an ein und demselben Hals gesetzt. Hier soll eine zeitlich abgegrenzte erlebte und rezipierte Situation geschildert werden. Weitere dieser Effekte sind in dieser Höhle zu beobachten.
Auch die Sprühtechnik, die wir heutzutage als "sprayen" oder "Airbrush" kennen, war verbreitet. Am Eindrucksvollsten zu sehen, an den Hand-Silhouetten (siehe Bild oben), bei der die Hand an die Felswand gelegt wurde und mit Hilfe eines farbigen Sprühnebels, um die Hand herum gesprüht wurde, wobei als Resultat der Handabdruck als Negativ-Bild entstand. Zu sehen in der Höhle von Altamira in Spanien, wie auch an Felswänden der "Cueva de las Manos" in der Nähe der Kleinstadt Perito Moreno in Argentinien.
So selten Motive von Menschen in den Höhlen zu finden sind, so war es doch keine Besonderheit, dass Sie, wenn Sie den Weg auf die Felswand gefunden haben, mit Merkmalen von Tieren versehen wurden. Diese Mischwesen waren wahrscheinlich das Produkt religiöser und kultischer Ausprägungen, wie zum Beispiel Schamanismus, um mit der übernatürlichen Welt in Kontakt zu treten und diese greifbarer zu machen.
In einigen verzierten Höhlen fehlten Darstellungen von Menschen sogar ganz, wie zum Beispiel in der Höhle von Niaux. Entweder wollten, konnten oder durften die Maler dieser Zeit rein menschliche Gestalten selten oder gar nicht malen.
Tiere, sowie Tiermotive vor allem Pferde und Bisons, spielten größtenteils die Hauptrolle in diesen ausgeschmückten Höhlen. Der Grund, könnte man meinen, liege in der Nahrungsbeschaffung und an der Sie umgebenden Welt. Diese noch als Nomaden lebenden Völker verbrachten den Großteil Ihres Lebens mit der Suche und Beschaffung von Nahrung, welche hauptsächlich Tiere waren, die sie jagen mussten. So scheint es offensichtlich die Jagd in den Mittelpunkt zu stellen und als solches zu verherrlichen und mystifizieren, damit die Götter einem gnädig gesonnen sind, bei der nächsten Nahrungsbeschaffungsmaßnahme. Aufgrund dessen, gingen Forscher zu Beginn von einer "Jagdmagie" unserer Vorfahren aus, die in diesen Höhlen zum Ausdruck gebracht werden sollte. Doch dem scheint mittlerweile laut Experten nicht so. Diese These gilt mittlerweile als überholt.
Was auffällt ist zum Beispiel, dass man in der Höhle von Lascaux kein Bildnis eines Rentieres entdecken kann, obwohl Rentiere zur damaligen Zeit den Großteil der Ernährung der Menschen ausmachten. Das wäre ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um die Darstellung der sogenannten "Jagdmagie" handeln kann. Ebenfalls wären die gemalten Löwen der Höhle in Chauvet nicht gemalt worden, die gemeinhin nicht zur Beute dieser prähistorischen Jäger zählten.
So geht man von der Annahme aus, dass religiöse kultische Handlungen an diesen Orten stattgefunden haben, in denen eben jene Tierbilder eventuell als Ikonen oder Götzenbilder, eine zentrale Rolle spielten.
Die führenden Experten auf dem Gebiet der Höhlenmalerei vermuten, dass es sich bei den gefundenen Höhlen, um Heiligtümer der prähistorischen Menschen handeln könnte.
Diese außergewöhnlichen Zeugnisse der damaligen Zeit, in denen man so vieles erfahren und auch bestaunen kann, sind ein Überbleibsel unserer fast vergessenen Geschichte und Kultur, die nur die Kunst und die Kraft der figürlichen Zeichnung als Medium, wie die vielen Strichfiguren und Strichmännchen zeigen, in unsere heutige Zeit konservieren konnte. Vielleicht können wir nicht alle Bilder in Gänze verstehen, aber Sie können uns zumindest eine Annäherung bieten und uns einen großen Einblick in eine Uns unbekannte Welt geben, die Uns, aber auch nicht mit einem Gefühl der Fremdheit zurücklässt, sondern mit einem Gefühl der Nähe und Sympathie.
Text: Marcel Czeczinski ; Fotos: Gerald Villena, Rechitan Sorin, Andrea Izzotti